Wie das Team des Fundamental Monodrama Festival sich nach der Pandemie selbstbewusst für den Start am 9. Juni wappnet.
Das Fundamental Monodrama Festival startet am 9. Juni. Allein dieser nüchterne Satz ist nach den Zeiten von Corona und Einschränkungen auf den Bühnen gerade für ein kleines Festival wie dieses ein echter Mutmacher. Aber was machen? Lieber eine Ausgabe, die ganz konservativ klein beigibt, auf das Experiment verzichtet und statt Kontroversen lieber leichte Kost serviert? Nein, es soll ein selbstbewusstes, das Live-Theater würdigende Fest ab dem 9. Juni werden, so der Festivaldirektor Steve Karier.
Er selbst habe von einem Verwaltungsratsmitglied dazu überzeugt werden müssen. „Als ich in der Sitzung ansprach, das Festival in diesem Jahr etwas vorsichtiger zu planen, ist mir fast der Kopf abgerissen worden“, berichtet Karier aus den Hintergründen der Organisation. Es sei der Satz gefallen: „Wenn wir nicht jetzt ein Fest machen, dass wir alle wieder zusammen sein können, dann weiß ich nicht wann sonst!“
Karier stellt sich auch dem Gedanken entgegen, dass ja die in Corona-Zeiten gefunden Ersatzformen wirklich getaugt hätten, um quasi als Monotheater auf virtuellen Plattformen Kreativität zu vermitteln: „Es ist umgekehrt: Es hat sich herausgestellt, in welchem Maße arm diese technischen Möglichkeiten für Bühnenmenschen und Performerinnen sind. Diese Arbeit über Video und Internet ist eine eigene Kunstform und verlangt so automatisch eine bestimmte Technik. Alles Bildhafte wird von den Gewerken geprägt, ebenso wie das Theater Handwerk wie Licht und Bühnenbild braucht. So ist es dann konkret aufgefallen, wie wundervoll und welche Erleichterung das ,Instrument Theater’ ist und wie zentral die Interaktion und das Zusammensein live sind. Die Pandemie ist aber selbst dann immer noch spürbar. Insofern, als sich ein Stau der Ideen gebildet hat und nun der Drang zum Produzieren für die Live-Bühne und zum Austausch eigentlich noch stärker geworden ist. Der natürliche Fluss ist noch immer nicht da, weil der Einschnitt zum Teil über fast zwei Jahre so hart war, dass sich viele Linien erst wieder einspielen müssen.“
Und auch die Rahmenbedingungen sind andere: So liefert schon der erste Abend der Solotheaterreihe Gedankenfutter der besonderen Art. „Natürlich gibt es immer mal Anpassungen im Festival - auch inhaltlich. Aber hier hat sich etwas Besonderes ergeben, was sehr selten so passiert: In der Regel werden afrikanische Texte bei Festivals eingeladen, die von Afrikanern gespielt werden. Doch in ,La poupée barbue’ wird die junge, europäische Schauspielerin Juliette Moro auf der Grundlage eines Textes aus Kamerun zeigen, was Kinder in Kriegszeiten durchmachen müssen. Wie diesem Terror entkommen? Plötzlich wird dieser afrikanische Text relevant für die bewaffneten Konflikte, die uns auch in Europa wieder näher kommen“, sagt der Festivalchef zum Eröffnungsstück.
Künstler als Seismografen der Gesellschaft
Vieles ließe sich gar nicht so genau für das Festival planen wie dieses Stück, so Karier: „Aber es freut mich ungemein, wenn es sich plötzlich so ergibt – und, dass Künstlerinnen und Künstler ihre Nase da so hart am Wind haben, dass sie etwas spüren und etwas für die Bühne als wichtig erachten. Und an solchen Veränderungen und solchen Zufällen – davon gibt es noch ein paar mehr im Programm – merkt man, dass Künstler und Künstlerinnen manchmal einen viel feineren Seismografen entwickelt haben; und dass sie anders als die Politik, die Philosophie oder die Publizistik Dinge auffangen und vermitteln können.“
Viele Mittel außer ihrer eigenen Kraft als Darsteller und etwas Bühnenbild gibt es dann gar nicht für die mutigen Künstlerinnen und Künstler, die sich in den Monodramen allein dem Publikum stellen. Bis zum offiziellen Festivalende am 18. Juni gibt es dann auch noch zahlreiche Uraufführungen, was das Festival wiederum auch als Schmiede für frische Ansätze interessant macht.
Und mittendrin finden sich die so genannten „Mono-Labos“ - neben den längeren Stücken sind das kreative Experimenträume zum Austauschen und Entdecken, die insbesondere von Luxemburger Künstlerinnen und Künstlern beigesteuert werden. Insgesamt ist die mehr als einwöchige Reihe mit 16 Veranstaltungen dicht gefüllt – und bietet dank der breiten Sprachwahl ein Angebot für alle. „Wir erforschen in dem Format so viel es nur geht“, sagt Karier.
Selbst die Formen sind längst nicht auf Lesungen oder Schauspiel begrenzt: Unter anderem hat das Team um Karier zum Beispiel die belgische Toneelhuis-Produktion „Down the Rabbit Hole“ von Benjamin Verdonck eingeladen. Hier geht es um Klang, Musik und den Prozess mit einem besonderen Instrumentarium: einer Art mit Seilzügen steuerbarer Theaterkörper in Kleinformat, der nach und nach seine Geheimnisse in Form und Farbe preisgibt.
„Oder mit Andrew Watts haben wir einen der besten europäischen Countertenöre zu Gast. Und er nimmt seine Performance als Ausdruck des eigenen Verrücktseins, der Madness, als Mann seine Stimme - er ist eigentlich ein Bariton - so hoch auszuformen. Und das ist ein schlicht wunderbarer Eindruck in dieses Künstlerleben“, so Karier.
Apropos Musik: Das „So long Orchestra“ mit Matthias Trippner (Orgel/Drums), Ralph Hufenus (Kontrabass/Klavier), Christian Bader (E-Gitarre), Emma Lily Karier (Saxofon), Martin Engler (Leitung /Gesang) und weiteren musikalischen Gästen wird jeden Festivalabend spielen. „Wir können dem Festival so noch eine andere Atmosphäre geben - das unterstreicht den Festcharakter. Es ist keine Konzession an jüngere Menschen, oder eine Entscheidung aus merkantilen Gründen. Nein, wir haben spezielle Gönner, ohne die wir die Musikerinnen und Musiker gar nicht bezahlen könnten. Und wir können so sehr klar wieder einen Akzent auf die besondere Lebendigkeit und das Zusammensein setzen“, betont Karier.